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Tatort: Schatten der Angst

ARD, Sonntag, 06. April 2008, 20.15 Uhr 

Als der türkische Unternehmer Ercan Celik mit seinem eigenen Lieferwagen überfahren wird und stirbt, bekommen Lena Odenthal und Mario Kopper Unterstützung vom LKA. Dort vermutet man die Tat eines Serientäters, der seit einiger Zeit türkischstämmige Geschäftsleute regelrecht hinrichtet.

Durch Lenas Ermittlungen ergeben sich jedoch auch Anhaltspunkte dafür, dass die Tat mit der Familiensituation der Sahins zu tun haben könnte, denn Ercan Celik führte sein Geschäft gemeinsam mit seinem Schwager Önder Sahin. Während Önder danach strebte, den erfolgreicheren Schwager zu übertrumpfen, versuchte Ercans Ehefrau Derya, sich in ihrer arrangierten Ehe Freiheiten zu erkämpfen.

Und dann ist da noch Peter Bogner, der in der Nähe des Tatorts gesehen wurde und seine Zuneigung zu Derya Celik nur schwer verbergen kann. (Pressetext ARD)

Interview mit Martin Eigler
 
Stab und Besetzung

Regie: Martin Eigler
Autor: Annette Bassfeld-Schepers, Martin Eigler
 
Produzent Sebastian Hünerfeld, Sabine Tettenborn
Produktionsleitung Jürgen Weissenrieder
Herstellungsleitung Wolfgang Krenz, Maran Film; Michael Reusch, SWR
Kamera Christoph Schmitz
Redaktion Melanie Wolber
Darsteller Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe, Sesede Terziyan, Ferhat Keleli, Tim Seyfi, Marlen Lohse 
Produktionszeit 17.04.2007 bis 23.05.2007
Produktionsjahr 2007
Länge 90 Minuten
Drehort Ludwigshafen, Karlsruhe, Baden-Baden
Pressekontakt Annette Gilcher, SWR
 
Pressestimmen:

“Ein Krimi im deutschtürkischen Milieu

Anfang Februar wurde eine «Tatort»-Folge abgesetzt, weil Politiker und Sender eine Ausstrahlung für gefährlich hielten. Nun zeigt die ARD den sehenswerten Film am kommenden Sonntagabend.

Die Tatort-Folge «Schatten der Angst» handelt von Gewaltverbrechen im deutschtürkischen Milieu, und das wollte man im Februar nur wenige Tage nach dem Brand in einem Ludwigshafener Wohnhaus nicht zeigen. Denn die Opfer waren Deutschtürken, und die nationalistische türkische Massenpresse mühte sich damals, den Brand zum Fanal einer neuen Welle deutscher Ausländerfeindlichkeit hochzuschreiben.

Die Entscheidung, den Film abzusetzen, mag aus der Sicht einer vor allem auf Eingrenzung multikultureller Konfliktzonen bedachten Politik vernünftig gewesen sein. Auf den Zustand der öffentlichen Debatte über das Verhältnis der Einwanderer zu ihrer neuen Heimat wirft dieses Vorgehen allerdings kein gutes Licht. Denn nicht der Inhalt des Films, der manchem der Protestierer gar nicht bekannt war, löste die Absetzung aus, sondern vermutete Empfindlichkeiten einer verdinglichten ethnisch-nationalen Identität. Gerade davon aber handelt «Schatten der Angst» mit den Mitteln des Kriminalfilms. Ulrike Folkerts als Kommissarin Odenthal muss einen Mordfall aufklären, bei dem ein deutschtürkischer Besitzer einer Imbissbude überfahren wurde. Die Tat könnte im Zusammenhang stehen mit Drogengeschäften und einer Mordserie an türkischen Geschäftsleuten.

Die Geschichte ist plausibel aufgebaut und wird überzeugend erzählt. Als ihr Kern wird jedoch mehr und mehr eine Familientragödie herausgeschält, in der es um die Zwangsehe der Frau des Toten geht und um die Anstrengungen der Familie, die sogenannte Ehre des Clans zu schützen. Denn Derya Celik liebt einen Deutschen, erwartet von ihm gar ein Kind. Für Vater und Brüder sind das Todsünden, die schwerer wiegen als die Misshandlungen der Tochter und Schwester durch den aufgezwungenen Ehemann. Der Polizei gegenüber stehen sie gemeinsam in einer Mauer des Schweigens und der Abwehr.

Regisseur Martin Eigler hat diesen explosiven Stoff ohne Effekthascherei zu einem ebenso spannenden wie anrührenden Krimi verarbeitet. Weil er nicht die Aufklärung eines bereits vollzogenen «Ehrenmords» zeigt, sondern eine Geschichte, an deren Ende eine solche Tat stehen könnte, kann er die Lage der bedrohten jungen Frau intensiv erlebbar machen. Derya Celik ist hier nicht nur stummes Opfer, sondern ein Mensch, der sich zwischen der Bindung an die Familie und dem Willen zum Ausbruch hin und her gerissen fühlt. Aber sie entscheidet am Ende selber. Auch die Familie ist mit dem väterlichen Patriarchen, der die Welt, in der er schon lange lebt, immer noch nicht versteht und der sich in Café und Moschee zurückzieht, sowie mit den beiden unterschiedlichen Söhnen differenziert dargestellt. Auf der Gegenseite stehen Polizisten, die wissen, dass sie bei solchen Fällen eigentlich nur Fehler machen können, weil überall die Minenfelder der politischen Korrektheit liegen.

Überzeugend ist vor allem Ulrike Folkerts, die sich von den Provokationen der jungen Türken nicht aus der Rolle drängen lässt. Ermittlungsarbeit ist hier Verstehensarbeit. Zu den Vorzügen des Films gehört, dass er den Zuschauern nicht suggeriert, dass das Fremde, vor dem hier die deutschen Polizisten stehen, am Ende ganz verstanden werden kann. Die «Schatten der Angst», die die hier gezeigten vormodernen Muster des Sozialverhaltens mitten in die Lichterwelt einer deutschen Grossstadt werfen, lassen sich auch nach Aufklärung des Kriminalfalls nicht ganz aufhellen. Das macht diesen «Tatort» zu einem Kunststück guter Fernsehunterhaltung, die den Zuschauer endlich einmal nicht unterfordert.” (Neue Zürcher Zeitung)


Tatort-Krimi entwickelte sich zum Quotenhit

Der Ludwigshafener „Tatort"-Krimi kam mit zwei Monaten Verspätung – und machte die ARD zum Quotengewinner des Sonntags. „Schatten der Angst" mit Ulrike Folkerts als Lena Odenthal lockte 7,4 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Der Diskussionsbedarf des Themas ist nach wie vor ungebrochen.

Der „Tatort“-Krimi um eine türkische Familie in Ludwigshafen kam mit zwei Monaten Verspätung – und bewegte die Gemüter. Die ARD erzielte am Sonntagabend nicht nur starke TV- Einschaltquoten, die anschließende Diskussion im Internet verfolgten nach Angaben des Südwestrundfunks (SWR) etwa 20.000 Menschen. Wegen des großen Andrangs sei die Startseite zum Forum kurz vor Ende des Films zusammengebrochen. Rund 400 registrierte Nutzer hätten aktiv mitdiskutiert.

„Schatten der Angst“ – ein sozialkritischer Krimi zum Thema Zwangsheirat in einer türkischen Familie mit Ulrike Folkerts als TV- Kommissarin Lena Odenthal – hatte ab 20.15 Uhr 7,44 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme gelockt. Das entsprach einem Marktanteil von 21,2 Prozent. Die SWR-Produktion setzte sich damit gegen den ZDF-Spielfilm „Der Zauber von Sandbergen“ aus der Inga- Lindström-Reihe durch, der es auf 6,51 Millionen Zuschauer (18,3 Prozent) brachte.

Ursprünglich sollte der „Tatort“ bereits am 10. Februar gezeigt werden. Doch nach einem Brand in einem überwiegend von Türken bewohnten Mehrfamilienhaus in Ludwigshafen, bei dem neun Menschen starben, kursierten damals Vermutungen über einen Anschlag. Eine zeitnahe Ausstrahlung erschien SWR und ARD nicht angemessen. Sie setzten den „Tatort“ kurzfristig ab – aus „Respekt vor der Trauer der Angehörigen der Brandkatastrophe“, wie es SWR-Intendant Peter Boudgoust formulierte.

SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen führte das „überwältigende Interesse“ nun auch auf die Vorgeschichte des Films zurück. „Nach der lebhaften Diskussion im Vorfeld wollten sich die Zuschauer endlich selbst ein Bild von unserem stimmig inszenierten und sensibel erzählten Ludwigshafen-„Tatort“ machen“, sagte er am Montag. Während es zur Entscheidung, den Krimi kurz nach der Brandkatastrophe nicht zu zeigen, nach SWR-Angaben zunächst hauptsächlich positive Reaktionen gegeben hatte, häufte sich nach der Ausstrahlung im Internetforum das Unverständnis über diese Art der „Selbstzensur“. Denn inhaltlich gibt es keinen Zusammenhang mit den Geschehnissen der Brandkatastrophe.

Der Film erzählt die Geschichte der jungen Türkin Derya, ungeheuer glaubhaft verkörpert von Sesede Terziyan, die mit Ercan zwangsverheiratet wurde, sich dann aber in einen deutschen Mann verliebt. Als Ercan das herausfindet, misshandelt er seine Ehefrau, die nach Ansicht der Angehörigen die Familienehre beschmutzt. Kurz darauf wird er umgebracht.

Der SWR steht zu seiner Entscheidung von Anfang Februar. „Der ursprünglich angesetzte „Tatort“-Tag war jener Tag, an dem die Toten von Ludwigshafen in die Türkei übergeführt wurden“, sagte Annette Gilcher von der SWR-Pressestelle. Und schließlich habe man auch den Film schonen wollen –  eben weil er nichts mit dem Brand zu tun hatte.” (Welt Online)


Zarter Ton

"Schatten der Angst", der im Februar abgesetzte SWR-Tatort, darf jetzt laufen

Ein Zufall wollte es, dass der Ludwigshafen-Tatort "Schatten der Angst" ein paar Tage nach einem Brand in Ludwigshafen ausgestrahlt werden sollte, bei dem am 3. Februar neun türkische Frauen und Kinder starben. Der Krimi wurde abgesetzt, weil er, ausgerechnet, unter in Ludwigshafen lebenden Türken spielt (FR vom 8. Februar). Peter Boudgoust, Intendant des verantwortlichen Südwestrundfunks, begründete die Absetzung damals mit den Worten, der Sender wolle "Rücksicht nehmen auf eine große Trauergemeinde, deren Gefühle wir nicht verletzen wollen". Auch "hätte die Gefahr bestanden, dass eine herausragende Tatort-Produktion völlig falsch verstanden wird". Jetzt also glaubt der Sender, dass genügend Zeit verstrichen ist - "Schatten der Angst" wird an diesem Sonntag gezeigt.

Der Film mit Ulrike Folkerts als Lena Odenthal wird sich nun trotzdem an einem Vorwurf messen lassen müssen, den der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands, Kenan Kolat, im Februar aus aktuellem Anlass erhob: Dass nämlich "Türken im deutschen Fernsehen meistens sehr klischeehaft dargestellt werden". Und dass, wenn es bei diesem Tatort Befürchtungen gebe, er könne Gefühle verletzen, der Film besser "gleich in der Schublade bleiben sollte".

Auf den ersten Blick scheint der Klischee-Vorwurf berechtigt: Es geht in dieser Geschichte von Annette Bassfeld-Schepers und Martin Eigler (der auch Regie führte) um eine junge Türkin, die einen Deutschen liebt und von ihm schwanger ist, es geht um die so genannte Familienehre. Wie übrigens beim umstrittenen NDR-Tatort "Wem Ehre gebührt", der einen Fall von Inzest in einer alevitischen Familie ansiedelte. Ausgerechnet: die Aleviten verfolgte über Jahrhunderte das Vorurteil, sie begingen oft Inzest.

"Schatten der Angst" tappt nicht in eine so belastete Geschichte. Er zeichnet die Familienmitglieder differenziert, ihm gelingt ein unerwarteter, gar nicht klischeehafter Schluss. Intendanten müssen Werbung machen für ihr Haus, aber in der Tat ragt dieser Kriminalfilm heraus aus den bisherigen Tatort-Folgen des Jahres - vom Kormoran-Krieg am Bodensee bis zum niedersächsischen Kleingärtner-Gemetzel. Er wagt einen eigenen, manchmal sehr zarten Ton, er nimmt seine Thema und seine Figuren ernst, egal, welche Abstammung sie haben.” (Frankfurter Rundschau)